W.O.W.!

Lenzerheide: world of wonders

Das Herz schlägt mir bis zum Hals. „Beruhige dich!“, rede ich mir selbst zu. Doch mein Körper rebelliert. Die eben absolvierte Strafrunde hat meinen Puls weit in die Höhe getrieben. Nun sehe ich die 50 Meter entfernte und nur 45 Millimeter kleine Zielscheibe rhythmisch auf und ab wippen. So gut wie möglich versuche ich Renés Ratschläge umzusetzen. Atmung! Absolute Konzentration. Locker bleiben! Dann betätige ich den Abzug – in einem Moment, in dem einfach alles zu passen scheint. Fast kann ich es fühlen, schon Sekundenbruchteile bevor das Projektil im Ziel einschlägt. René, der hinter mir durch das Spektiv beobachtet, bestätigt freudig: „Wow! Volltreffer!“

Welcome to world of wonders

Lenzerheide, im Schweizer Kanton Graubünden, fast 1.000 Höhenmeter über Chur. Dicke Flocken fallen vom Himmel. Alles steckt in tiefen Wolken. Nur langsam taste ich mich bis zum nahegelegenen Valbella Resort, meine Bleibe für die nächsten vier Tage. Dann strahlt plötzlich alles. „Willkommen in der world of wonders!“, werde ich begrüßt. Das warme Licht, die Gastfreundschaft, der einzigartige Akzent. Der Beginn einer wahrhaftig wundervollen Reise. Das winterliche Lenzerheide ist kein Geheimtipp mehr. Seit der Churwaldner Hotelier Johann Brügger 1881 den Heidsee vom Bistum Chur abkaufte, hat sich einiges getan. Brügger ließ den See aufstauen. Noch heute wird so Energie produziert. Ebenso eröffnete er die erste Pension am Nordufer des Sees, in einem kleinen Dorf mit dem klingenden Namen Valbella. Das schöne Tal.


Viel zu sehen ist vom schönen Tal nicht, als ich mir einen Überblick verschaffen möchte. Doch mit Blick auf die Pistenplänen wird klar: Beide Seiten über dem Heidsee, also die gesamten Ost- und Westflanken, sind mit Skipisten überzogen. Schon seit 2014 verbindet die Urdenbahn das Skigebiet außerdem mit dem benachbarten Arosa. So ergeben sich 225 Pistenkilometer. Das größte Skigebiet in Graubünden. 


Lenzerheide, eine Region voller W.O.W. Momente. Unvergessliche Erlebnisse unter freiem Himmel, die garantiert in Erinnerung bleiben. Was das genau heißt? Das gilt es nun herauszufinden.

Wanderlust

Im Herzen Europas. Im Herzen der Alpen. Lenzerheide ist bunt. Vielsprachig. Die Gäste kommen von überall her. Gut, dass das Wort Wanderlust fast überall verstanden wird. Paradiesisch. Himmlisch. Wundervoll, aber wirklich wahr. 161 präparierte Winterwanderkilometer gibt es zu erkunden. Während der Naturschnee die Pisten neu eindeckt, ist der perfekte Moment für eine entschleunigende Winterwanderung gekommen.


Man hat die Qual der Wahl: Ein Spaziergang um das Naturschutzgebiet am Heidsee? Das sensible Flachmoor schläft unter der dicken Schneedecke, zeigt sich aber gerade jetzt von einer besonders ruhigen und mystischen Seite. Seine Entstehung begann vor 15.000 Jahren, als Mittelbünden noch von einem dicken Eispanzer überzogen war. Die am Ende der Eiszeit zurückschmelzenden Gletscher ließen System aus abgelagertem Schutt zurück. Zwischen diesen Moränen stauten sich erste Tümpel und Seen. Letztendlich hat sogar die landwirtschaftliche Nutzung der Menschen dazu beigetragen, dass dieses sensible Ökosystem entstehen konnte. 


Herzstück dieser Sumpfgebiete ist das Torfmoos. Die unscheinbare Pflanze kann das 30-fache des eigenen Gewichts an Wasser aufnehmen. Torfmoose entwickeln sich nach oben, während die Basis auf Dauer wegen des Luftabschlusses abstirbt. So schiebt es sich langsam weiter und weiter nach oben. Moore wachsen also. Aber eben nur sehr langsam. Etwa einen Millimeter pro Jahr. In Graubünden gibt es mittlerweile nur noch 80 Hektar dieser Moore. Schützenswert sind sie aber nicht nur als CO2-Speicher, sondern auch, weil sie einen äußerst seltenen Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten bieten. Der Rundweg ist perfekt für Spaziergänger. Aber auch Langläufer nutzen die Loipen, die teils direkt am Seeufer, in den Wintermonaten sogar auf dem gefrorenen See verlaufen.


Ich entscheide mich allerdings für eine andere Route. Die mit der Nummer 202. Von Lenzerheide hinauf durch das beschauliche Dörflein Sporz, mit uralten Holzhäusern, urigen Restaurant und einem ersten Ausblick, den mir die Wolken an diesem Tag bieten. Ich sehe nichts als Schnee. So weit das Auge reicht. Wow!

W.O.W. Momente gehen (auch) durch den Magen!

Wenig später erreiche ich mein Ziel. Das Restaurant und Berghotel Tgantieni, auf 1.800 Metern. Bereits 1899 erwarb Johann Anton Parpan das Maiensäss, denn ursprünglich weidete hier oben nur den Sommer über das Vieh. Doch schon damals freuten sich Tourenskifahrer über eine kleine Einkehr. So wuchs die kleine Hütte mit den Jahren und bietet heute, noch immer in Familienbesitz, zwanzig Zimmer und Suiten, eine kleine Sauna und ein erstklassiges Restaurant. Direkt neben der Piste. 


(...)

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