Die Gletscher schmelzen, der Schnee bleibt vor Weihnachten oft lange aus und wir erleben vermehrt heftige Wetterphänomene. Die Auswirkungen des Klimawandels auf unsere Winter sind unübersehbar, und treffen all jene, die die Natur ihr zweites Zuhause nennen, besonders. Eine Organisation, die sich stellvertretend für alle Outdoor-Enthusiast:innen für den Klimaschutz starkmacht, ist Protect Our Winters. Unter dem Motto „Fortschritt statt Perfektion“ will der Verein mit seiner Arbeit aufzeigen, wie Natur-Begeisterte gemeinsam mit der Tourismusbranche Verantwortung übernehmen können, um Entscheidungsträger:innen aus der Politik von nachhaltigen Lösungsstrategien zu überzeugen und die Berge sowie den Wintersport damit für zukünftige Generationen zu bewahren.
Wir stehen auf der Aussichtsplattform der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe auf 2.369 Metern. Vor uns türmt sich majestätisch der Großglockner, Österreichs höchster Berg. Es ist sommerlich warm an diesem Septembervormittag, der mitgebrachte Schokoriegel im Rucksack ist bereits auf dem kurzen Weg vom Busparkplatz hier hoch geschmolzen. Und er ist nicht der einzige, der sich hier oben verflüssigt. Die Pasterze, der Gletscher zu unseren Füßen, tut es ihm seit Jahrzehnten gleich. Noch ist sie Österreichs größter Gletscher, aber: Sie schmilzt, und zwar mit einem noch nie dagewesenen Tempo. Laut Prognosen soll ihre Gletscherzunge in den nächsten Jahren abbrechen, damit vom Nährgebiet abgeschnitten und zu Toteis werden. Genau aus diesem Grund wird hier heute ein Sarg aus Eis beerdigt, symbolisch für den Gletscher, der hier nur wenige hundert Meter entfernt aufgrund des Klimawandels seinem jähen Ende entgegenblickt. Er ist damit übrigens nicht der einzige: Wenn wir so weitermachen wie bisher, wird bis 2050 die Hälfte aller in Österreich noch vorhandenen Gletscher verschwunden sein. „Ein bisschen dramatisch das Ganze, nicht wahr?“, fragt eine Touristin ganz beiläufig eine junge Frau aus der „Trauergruppe“. „Eigentlich nicht, schließlich ist der Grund für diese Aktion genau das: dramatisch“, lautet ihre nüchterne und dennoch so wahre Antwort. Die Initiatoren des sogenannten Gletscherbegräbnisses, das unter Beisein der katholischen und evangelischen Kirche, einigen Personen aus der Politik sowie zahlreichen Gästen stattfindet, sehen ihre Veranstaltung als notwendig, um auf die verheerenden Folgen der Klimakrise aufmerksam zu machen.
Die Gruppe an Klimaschutzaktivist:innen, die sich hier heute mit ihren Gästen vom Gletscher verabschiedet, besteht aus Outdoor-Begeisterten und nennt sich Protect Our Winters, kurz POW – genauso wie der herrlich pulvrige Schnee, den alle aus der Freeride-Szene so lieben. Die Initiative zum Schutz unserer Winter wurde 2007 in den USA von Profi-Snowboarder Jeremy Jones gegründet. Als Wintersportler hat er die Auswirkungen des Klimawandels auf die Berge selbst miterlebt. Er wollte aktiv werden. Mittlerweile agiert POW weltweit. In Österreich gibt es den Verein seit 2015. Gegründet wurde er von der damaligen Profi-Snowboarderin Dani Hochmuth, die ihn gemeinsam mit ihrem Team in den Folgejahren aufbaute. Über 600 Mitglieder zählt POW Austria mittlerweile, Tendenz steigend. Was den Verein von anderen Klimaschutzorganisationen unterscheidet, ist schnell erklärt. „Durch die Zusammenarbeit mit Athlet:innen, unsere sogenannte „Athletes Alliance“ bekommen wir eine ganz andere Reichweite, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen“, sagt POW-Geschäftsführer Moritz Nachtschatt. Außerdem setze POW nicht auf Perfektion, sondern getreu dem Motto „Imperfect Advocacy“ auf Fortschritt. „Was den Klimaschutz angeht, ist keiner perfekt, weder ich, noch du, noch die Klimaschutzministerin. Selbst Greta Thunberg ist es nicht“, sagt Moritz. Er hat recht. Es wird ohnehin viel zu oft mit dem Finger gezeigt. Klar, der Wintertourismus trägt seinen Teil zum Klimawandel bei, POW will aber einen Weg finden, um die Leidenschaft für den Berg- beziehungsweise Wintersport mit dem Klimaschutz zu vereinen. „Keiner von uns will den Sport aufgeben, wir sind alle viel zu gerne in der Natur, aber wir wollen ihn so nachhaltig wie möglich gestalten. Wenn alle aus der Community sich dafür einsetzen und ihre Stimme nutzen, können wir da auch viel erreichen“, sagt auch Christina Stahl, die bei POW Austria für das Bildungsprogramm verantwortlich ist.
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